Herr Sickenberger, woran arbeiten Sie zur Zeit?
Nach Beendigung meiner Promotion habe ich entschieden, in den praktischen Journalismus zu wechseln und eine Stelle bei der Badischen Zeitung im schönen Freiburg anzunehmen. So schnelllebig das dortige Tagesgeschäft im Vergleich zur wissenschaftlichen Tätigkeit auch sein mag, sind die Gemeinsamkeiten doch evident: Genauigkeit im Arbeiten, sprachliche Präzision, ein klarer Fokus auf gut lesbare, wichtige und interessante Texte sowie das Durchdenken komplexer Themen.
Welche Eigenschaften muss ein/e erfolgreiche/r Forscher/in haben?
In meinen Augen muss er/sie ergebnisoffen arbeiten. Keine a priori aufgestellten Thesen bestätigen wollen, sondern das Material und die Untersuchungsergebnisse für sich sprechen lassen. Was gute Forscher*innen außerdem können müssen: Gewonnene Erkenntnisse an ein breites Publikum weitervermitteln, zielgruppengerecht aufbereiten und im Zweifel für weniger interessierte Menschen übersetzen. Mein Gefühl ist, dass gerade diese Fähigkeit noch zu häufig vernachlässigt und hinter komplexesten Begrifflichkeiten und Satzungetümen versteckt wird.
Mit welchem bedeutenden Wissenschaftler hätten Sie gern zusammengearbeitet? Oder würden es gern tun?
Stuart Halls Denkweise aus erster Hand kennenzulernen, hätte mich schon sehr gereizt.
Wenn Sie nicht Wissenschaftler wären, was wären Sie dann?
Das, was ich inzwischen tatsächlich bin: Journalist – auch ein toller, abwechslungsreicher Beruf.
Welche 3 Bücher haben Sie beeinflusst?
Chigozie Obioma, Das Weinen der Vögel
Kai Hafez, Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung
Truman Capote, Kaltblütig
Welchen Stellenwert hat das (gedruckte) Buch für Sie?
Es fällt mir schwer, an einer Buchhandlung vorbeigehen, ohne eines zu erstehen. Ganz davon abgesehen: Wie schön sind bitte Bibliotheken? Ich mag das Aussehen von Büchern, von alten und von neuen. Jedes ist anders – was für eine unvorstellbare Vielfalt. Ich mag ihre Haptik, mag es, immer wieder durch ihre Seiten zu blättern, ihren Geruch wahrzunehmen. Ewigkeiten vor Bücherregalen zu stehen und einfach nur Buchrücken zu betrachten. Und ich mag die Geschichten, die Bücher mit all ihren Knicken, Flecken, Markierungen und Ecken von ihrem ganz eigenen kleinen Weg durch die Jahre oder Jahrzehnte hindurch erzählen.
Warum haben Sie Ihr Buch geschrieben?
Die Möglichkeit, mich ausführlich mit einer Frage auseinanderzusetzen, die mich schon lange beschäftigt hat, fand ich faszinierend. Im besten Fall sogar befriedigende Antworten auf diese Frage zu erhalten, steigerte den Reiz umso mehr. Was für ein Luxus, sich dafür mehrere Jahre Zeit nehmen zu dürfen.